Vortrag im Rahmen der Internationalen Tagung „Adel im Vormärz“ in der Bibliothèque nationale du Luxembourg (BnL), 15.-17. Juli 2021
Veranstatet wurde die Tagung von Dr. Claude D. Conter (BnL) und PD. Dr. Urte Stobbe (Universität Stuttgart).
Abstract zum Vortag
„Konversationsprosa der eleganten Welt: Formationen neuständischer Vergesellschaftung in dem Erzählwerk von August und Emilie von Binzer (A.T.Beer)“
Im Mittelpunkt des Vortrages stehen literarische Arbeiten des Ehepaares August und Emilie von Binzer, die in den 1830er Jahren unter dem Pseudonym A.T. Beer publiziert haben. Damit richtet sich erstmals der literaturhistorische Fokus auf die gemeinsame Produktion des aus dem dänischen Dienstadel stammenden August von Binzer (1793-1868) und seiner einer hohen kurländischen Adelsfamilie angehörigen Frau, Emilie (geb. von Gerschau, 1801-1891).
Die Literaturgeschichtsschreibung hat die Erinnerung an die beiden Autoren zwar bewahrt, den Blick auf ihre Arbeiten aber auf eine merkwürdige Art verfremdet. So gilt August von Binzer durch seinen poetischen Beitrag zum Wartburgfest als ein ewig junger ‚Sänger der Burschenschaften‘ (Wir haben gebauet ein stattliches Haus, 1817). Zugleicht geht Emilie von Binzer als greise Chronistin des thüringischen Musenhofes der letzten Herzogin von Kurland (Drei Sommer in Löbichau, 1877) sowie als Freundin Adalbert Stifters und Salonniere in dem nachmärzlichen Linz in die Annalen der deutschsprachigen Literatur ein.
Ausgeblendet wird dabei die in literarischer Hinsicht am meisten produktive Zeit des Vormärz, in der August und Emilie von Binzer u.a. für die Zeitung für die elegante Welt und das Morgenblatt für gebildete Stände arbeiteten und mit ihren Erzählungen der Reihe der „beliebtesten Erzähler neuesten Zeit“ angehörten (Bunte Reihe, 3 Bde., 1840). Wenig Beachtung findet auch die Rolle August von Binzers als Redakteur der Leipziger Eleganten Zeitung, die er 1834-1835 nach Heinrich Laube und vor Gustav Kühne leitete. Der Vortrag macht auf dieses Desiderat aufmerksam und beschäftigt sich gezielt mit den Prosatexten August und Emilie von Binzers, die in den 1830er Jahren erschienen sind. Die Studie verfolgt zwei miteinander korrespondierende Fragestellungen. Erstens, wird aus literaturkritischer Sicht das Textkorpus daraufhin untersucht, ob und wie fern sich die Erzählungen der Binzers im Kontext der Debatte um die sogenannte Salonliteratur verorten lassen (vgl. „Conversationsprosa der höhern Stände“, ALZ 2/142, 1837, S. 528). Zweitens wird eine sozialhistorisch motivierte Frage nach möglichen Formationen neuständischer Vergesellschaftung verfolgt, die in den Narrativen der Erzähltexte der Binzers entworfen bzw. verworfen werden. Ergänzend werden journalistische Reflexionen und programmatische Aussagen August von Binzers als Redakteur der Eleganten Zeitung herangezogen. Damit soll die Mediendifferenz zwischen Buch und Zeitung im Dienste der literarischen Unterhaltung befragt und zugleich die Reichweite der Vergesellschaftungskonzepte des Vormärz überprüft werden.
Urte Stobbe / Claude D. Conter (Hgg.)
Adel im Vormärz. Begegnungen mit einer umstrittenen Sozialformation
Vormärz-Studien XLVI
ISBN 978-3-8498-1859-3
Aufsatz zum Nachlesen auf Academia.edu